Hegegring Ahlbeck im Ukranenland
Ein Samstagnachmittag im Mittelalter.
Am 17. August 2019 fand unser jährliches Familiensommerfest statt. Diesmal zog es uns ins Ukranenland nach Torgelow. Jägerinnen und Jäger, mit ihren Familien, Kindern und Gästen.
Das frühmittelalterlich-slawische Museumsdorf Ukranenland liegt etwas abseits auf einer Wiesenaue zwischen einem Waldrand und der Uecker. Also mussten wir zunächst einen kleinen Spaziergang vom Parkplatz durch den Wald unternehmen. Auf diese Weise konnten wir uns schon einmal vom 21. Jahrhundert verabschieden, denn ab jetzt tickte eine andere Zeit.
Man schreitet ehrfürchtig durch das Holztor, denn zur Landseite ist das Ukranenland von einer massiven Holzpalisade umgeben, und dann steht man plötzlich mittendrin – im Mittelalter.
Nach archäologischen Befunden wurden hier slawische Block-, Pfosten- und Flechtwandhäuser des 9. und 10. Jahrhunderts in Originalgröße rekonstruiert und eingerichtet. Zur Wasserseite ist die Siedlung von der Uecker begrenzt, an einem Anlegesteg liegt eine historische Ostseekogge, die der Bauweise aus dem 11. Jahrhundert nachempfunden wurde.
Zunächst gab es erst einmal eine Einführung über das slawische Leben des frühen Mittelalters an der Uecker. Die mittelalterlich gekleideten Akteure lassen diese Epoche lebendig werden und beherrschen verschiedene historische Handwerke, zu denen wir eingeladen werden sie auch einmal selbst auszuprobieren.
Bevor wir allerdings mit den Blasebälgen die Schmiede befeuern gibt es erst einmal eine Stärkung. Im Gemeinschaftshaus steht schon der Grill bereit. Deftige Steaks und knackige Bratwürste werden mit einer interessanten Forke gewendet und für Vegetarierer steht ein leckerer Salat bereit.
Mangels Strom und damit verbundener Kühlmöglichkeit sind die Getränke mediumkalt, Gott sei dank sind gerade an diesem Wochenende keine 35 Grad im Schatten. Die vergangene kühle Nacht hat uns das original gebraute „Berliner Pilsner“, den historisch perligen „Rotkäppchensekt“ und die damals schon mittelalte „Coca Cola“ auf trinkbare Temperatur gebracht.
Zwei Mitglieder der Jagdhornbläsergruppe unserer Jägerschaft blasen dann auch zünftig „zur Begrüßung“ und „zum Essen“. Es schmeckt phantastisch, wenn auch Besteck und Teller durch ein Leck in der Zeitmaschine geschlüpft sein müssen, denn sie stammten eindeutig nicht aus dem Mittelalter.
Anschließend gab es eine Führung durch die Häuser, Liegeproben auf Strohmatten und das Fußvolk durfte testen wie es sich im Sitzen schläft, denn das war zu dieser Zeit tatsächlich nicht unüblich, schlicht aus Platzmangel.
Wir lernen hier auch einige interessante Ursprünge heute noch häufig verwendeter Redewendungen kennen:
„Einen Zahn zulegen“ zum Beispiel. Entstanden ist diese Redewendung im Mittelalter, als in den Küchen noch über offenem Feuer gekocht wurde. Weil man dabei die Hitze nicht regulieren konnte, hingen über der Kochstelle Metallstreifen mit vielen Zacken, an denen unten die Töpfe eingehängt wurden. In diese Zacken – auch Zähne genannt – konnte der Kessel höher, also weiter vom Feuer weg, oder tiefer eingehängt werden. Wollte man, dass das Essen schneller fertig wird, hing man den Kessel tiefer – legte also „einen Zahn zu“.
Oder „blau machen“. Diese Redewendung kommt ursprünglich vom „Blauen Montag“. Der blaue Montag war nämlich ein freier Tag, ganz ohne Arbeit und war damals bei Färbern gebräuchlich. Die legten die Stoffe, die sie färben wollten, am Sonntag in ein Färbebad, in dem die Farbe in das Gewebe einwirken sollte.
Montags wurde die gefärbte Wolle dann aus dem Bad genommen und an der Luft getrocknet. Die besondere Farbe, die damals verwendet wurde, zeigte eine chemische Reaktion mit der Luft – und wurde blau.
Während die Wolle an der Luft trocknete und blau wurde, hatten die Färbergeselle nichts zu tun, also konnten sie ganz in Ruhe „blau machen“ – und zwar die Wolle.
Jetzt ging es an die Arbeit, wir konnten also die verschiedenen Gewerke selbst ausprobieren und so werden Messer geschmiedet, Löffel geschnitzt, Seile geflochten und Perlen getöpfert. Für jeden was etwas dabei und wer keine Lust hatte zu arbeiten, der konnte sich im Bogenschießen probieren oder einfach sitzenbleiben und mit Gleichgesinnten plaudern. Immerhin musste auch ein Hirsch totgetrunken werden.
Aber dann ging es gemeinsam auf große Fahrt. Natürlich nicht ohne vorher die Grundregeln der großen Seefahrt gelernt zu haben. Backbord und Steuerbord, hmmm … wie war das gleich nochmal? Ach ja, Steuerbord ist da wo das Steuer ist und Backbord dann eben die andere Seite. Das war wichtig, denn wenn 16 Mann sich in die Riemen legen, dann muss auf der kleinen Uecker schon die Richtung stimmen, sonst landet man im dichten Schilf. Und wenn Steuerbord die Riemen nicht rechtzeitig eingezogen werden, dann kommt man nicht unfallfrei an den Steg.
Der Seemann versteht unter Riemen das, was wir als Ruder oder auch Ruderblatt bezeichnen. Aber der Seemann rudert auch nicht, er pullt.
Aha, da haben die Seemänner also etwas mit den Jägern gemeinsam, eine besondere Sprache, die diese beiden Handwerke über Jahrhunderte geprägt haben.
Es war ein wunderbarer Nachmittag für Jäger und Nichtjäger, für Jung und Alt, für Groß und Klein. Danke an Anna unsere Chefin des Hegering Ahlbeck für die Organisation und auch an ihre vielen Helfer, die diese erstaunliche Zeitreise ins Ukranenland für uns möglich gemacht haben.
Bildquellen
- Ostseekogge im Ukranenland: G. Schönebeck